Lisa Jöchlinger – unsere Partnerin in Themen Lifestyle erzählt über das Thema Frau und Kochen
Meine Oma wohnt in einem kleinen Vorort von Wien. Obwohl Aderklaa unmittelbar vor der Stadtgrenze Wiens liegt, erfüllt es jedes Klischee eines 200-Seelen-Dorfs in völliger Abgeschiedenheit. Durch die lokale Nähe gibt es hin und wieder dann aber doch Berührungspunkte mit der Großstadt.
Unlängst erzählte meine Oma von einem dieser Ereignisse: Ihrem Ausflug zum Klassentreffen nach Wien, zu dem sie mit der U-Bahn unterwegs war: „Da hom sie zwei junge Buam gegenüber vo mir hingsetzt, die hom so a gfüllts Weißbrot gessn!“. Zunächst wartete ich auf die Fortsetzung, doch durch das Entsetzen in Ihrer Stimme war mir bald klar: Der Höhepunkt der Geschichte war bereits erreicht! Denn Essen unterwegs, Imbissbuden, „to go“, Lieferservice, Convenience und co existieren für Baujahr 1935 am Land nicht. Man isst um 7, 12 und 18 Uhr mit seiner Familie gemeinsam am Küchentisch, was man zuvor selbst zubereitet hat, aus Rohstoffen die man ums Eck gekauft, oder selbst hergestellt hat. Punkt. Doch die Unterhaltung regte mich zum Nachdenken an. Ist das schlichtweg der Lauf der Zeit oder haben Menschen, die zwischendurch in der U-Bahn ein Kebab verschlingen, Eltern, die ihren Kindern Fast Food und Fertiggerichte vorsetzen den Bezug zur Lebensmittelproduktion schon völlig verloren? Nun ja, meine Oma war Bäuerin. Eigentlich könnte man sagen sie IST Bäuerin. Denn obwohl sie schon über 80 ist, vergeht wohl kaum eine Woche in der sie sich nicht in irgendeiner Form in den Betrieb einbringt. Ihr Bezug zur Produktion und Vermarktung von Nahrungsmitteln ist also groß, genauso ihr Bewusstsein für die Familie. Kein Wunder also, dass gemeinsame, selbst zubereitete Mahlzeiten für sie selbstverständlich sind. Doch ist dies im heutigen Zeitalter denn eigentlich möglich? Neben Beruf, Kindern und sonstigen Verpflichtungen sagen viele Frauen: „Für täglich selbst kochen habe ICH keine Zeit!“. Nun ja, mit der Zeit ist das immer so eine Sache. Hier wiederum muss ich an meine viel-arbeitende Mama denken, die einmal meinte: Jeder hat gleich viel Zeit: 24h pro Tag. Und Zeit hat man, wofür man sich Zeit nimmt. Das Modell „Hausfrau“ ist ein Auslaufmodell in unserer Gesellschaft. Für eine gemeinsame Mahlzeit NIMMT man sich demnach meist maximal beim Abendessen Zeit. In Familien und Haushalten, in denen für diese gemeinsame Mahlzeit selbst gekocht wird, habe ich im Wesentlichen zwei Phänomene beobachtet:
- Mann oder Frau kocht gerne
- Frau kocht ungerne
Ich selbst zähle mich zu Kategorie 1. Was bringt mir dabei die Freude am Kochen? So einiges … Zunächst: Der Reiz der Saison. Eierschwammerl, Spargel, Bärlauch, Erdbeeren, Kürbis … Die Produkte der Saison werden besonders angepriesen und begegnen uns in den Medien, den Geschäften, auf Märkten, am Feld, der Natur und im Restaurant. Der Hype steckt an, vor allem weil man weiß: Bald heißt es wieder ein Jahr warten! Weiter: Der Bezug zur Produktion. Selbst gepflückter Bärlauch oder Eierschwammerl schmecken besonders gut. Zweifellos. Schon klar, alles kann man nicht selbst produzieren, aber auch das Kennenlernen des Produzenten ist ein wunderbares Erlebnis: Ich habe seit kurzem die „Fischzüchterin meines Vertrauens“ kennengelernt, mit Zweitwohnsitz bei mir ums Eck. Ein besonderes Erlebnis, ihr beim Abholen meiner Fische zu berichten, wie die Saiblinge vom letzten Mal geglückt sind! .… und schließlich, was am meisten Freude am selbst Kochen bereitet: der Genuss und die Freude, die ich den Bekochten damit bereiten kann!
Und nun Kategorie 2: Frau kocht ungerne. Ja, hier steht nur die Frau, denn bei einem Mann habe ich das Phänomen noch nicht beobachtet. Bei Frauen schon, leider. Mein Appell: Lasst euch hinreißen – wie oben beschrieben – und wenn das nicht glückt: Vergesst gesellschaftliche Erwartungen! Zeiten von „die Frau gehört hinter den Herd“ sind lange vorbei. Doch auch wer sich entscheidet, nicht selbst zu kochen, möge darauf achten, was bei ihm oder ihr auf dem Teller landet. Nach dem Motto: Du bist, was du isst!